Die Hühnerfarm

„Hühnerfarm“-Scamming ist ein Dauererfolg bei Scammern aller Kontinente. Es gibt verschiedene Varianten; wir konzentrieren uns auf die, die wir aus Gambia kennen.

In 2014 war eines unserer Vereinsmitglieder für längere Zeit auf Familienbesuch in Gambia. Ziemlich von Anfang an versuchte sich ein junger Mann unentbehrlich zu machen, was ihm auch gelang. Denn für manche Aufgaben hat man als Gast nicht genug Nerven und Erfahrungen, um sie selbst gut zu bewältigen. Nach ungefähr vier Wochen kam das Thema „Hühnerfarm“ auf den Tisch: Der junge Mann hatte (angeblich) einen Freund, dem eine schwedische Touristin mit dem Geld für eine Hühnerfarm finanzielle Sicherheit bis ans Lebensende geschenkt habe. Das sei eine gute Sache, denn für Hühner braucht es nicht viel Startkapital, nur für bisschen Platz und bisschen Futter. Dann geht der Gewinn durch die Decke, denn Hühnerfleisch ist in Gambia sehr beliebt und die Bevölkerung wächst schnell. Ein todsicheres Geschäft auf immer, an dem die schwedische Touristin beteiligt sei, die sich innerhalb kürzester Zeit ein Haus in Gambia bauen konnte. Ob er nicht auch so eine Chance bekommen könne? Er könnte damit auch seine kranke Mutter ernähren, den Schwestern die Schule bezahlen und für Oma ein schönes Haus bauen. – Unser Vereinsmitglied war zunächst ganz begeistert von der Idee, denn sie ergab an allen Enden und Ecken Sinn. Deshalb bat sie den jungen Burschen um eine möglichst genaue Kalkulation und einen Besuch auf dieser Farm. Der Bursche schätzte sofort auf 2.000 Euro, konnte aber auch Tage später nicht begründen, warum. Ein Farmbesuch kam nie zustande, ständig kam etwas dazwischen. Aber an die 2.000 € wurde immer wieder erinnert. Irgendwann ging darüber die entstehende Freundschaft kaputt.

Ungefähr drei Jahre später bekam der gambische Mann eines Vereinsmitglieds vom Freund eines Freundes die Geschäftsidee vermittelt, doch mal in eine Hühnerfarm zu investieren. Es könne nichts schiefgehen, Hühner zu verkaufen in Gambia sei quasi so sicher wie Gold auf der Bank. Er interessierte sich näher und bekam Fotos von diesem „Freund“ auf einem Hühnerhof. Dann Fotos vom Markt, der Freund hinter einer Frau, die Eier verkaufte. Dann der Freund mit Hühnern in der Hand. Der Mann solle schnell, schnell Geld aus Deutschland nach Gambia schicken, um sich mit eigenen Hühnern in den Hühnerhof einzukaufen. Am besten gleich 2.000 Euro. Dann kamen wieder Fotos von einem Hühnerhof. Und hier wurde der Mann dann stutzig: Es war eindeutig ein anderer Hühnerhof. Als Gambier war es ihm ein Leichtes, hinter diesem „Freund“ her zu recherchieren. Nach zwei Wochen fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Der „Freund“ hatte die Fotos bei fremden Menschen gemacht, ohne um Erlaubnis zu bitten. Eine ziemlich fiese Masche, mit der er Unbeteiligte in seinen Betrug hineingezogen hatte.

Seit einigen Monaten bemerken wir als Verein, dass die Hühnerfarm-Geschäftsidee immer stärker ventiliert wird. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Gambia die Einfuhr von Hühnerprodukten aus Senegal gestoppt hat und der Bedarf so nachweislich hoch ist. Unrühmlich bekannt ist mittlerweile eine tatsächlich existierende Hühnerfarm in Sanyang, die falsche Rechnungen ausstellt, mit denen der Aufbau einer Farm vorgetäuscht werden soll (Quelle: https://childaidgambia.org/gambian-scams/).  Mehrmals wurden wir schon von Deutschen um Rat gebeten, wie sie ihren gambischen Internet-Bekannten behilflich sein könnten. Wir raten grundsätzlich ab! Denn die Kommunikation mit diesen Internet-Bekannten weist alle Merkmale des Scamming-Betrugs auf: Druck aufbauen, Dringlichkeit vortäuschen, keine konkreten Zahlen oder Konzepte vorweisen können, aber Geld erbitten. – Würden Sie so jemanden in Deutschland unterstützen…?

Und selbst wenn: Wollen wir wirklich die qualvolle Legebatteriehaltung in Gambia salonfähig machen, die aus Deutschland aus allerbesten Gründen endlich verschwindet? Unser Verein sagt Nein.


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